Resonanzen - Über das Waschhaus....

Bericht in dem Mietermagazin "wir gemeinsam" der SADA-GWG, 1-2014





ÜBER DAS WASCHHAUS BERICHTEN HIER:
- Michael Baade (Artikel)
- Rainer Kellner (Artikel)
- Ilyas Özdemir (Artikel)
- Arnim Juhre (aus einem Brief an Peter Schütt)
- Renate Seifert (Artikel)
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Ein Hinweis
             
In der Dezember-Ausgabe (2005) der Zeitschrift
"MUT. Forum für Kultur, Politik und Geschichte" (Heft 460)
veröffentlichte Peter Schütt einen umfangreichen Artikel
über das Waschhaus am Wesselyring.
Nähere Informationen und Bezug des Heftes
direkt beim MUT-Verlag:
MUT Verlag Asendorf - Postfach 1 - 27328 Asendorf
(Homepage: www.mut-verlag.de)




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ARBEITSLOS - VON STRAHLSUND BIS MEKKA
von Michael Baade
Vor mehr als zwanzig Jahren machte sich Peter Schütt auf den dornigen Weg nach Bitterfeld. Nach dem Vorbild der DDR-typischen "Zirkel schreibender Arbeiter" gründete er in Harnburg unter dem Eindruck der Massenentlassungen auf der Howaldtswerft ein bundesdeutsches Gegenmodell, die "Werkstatt schreibender Arbeitsloser". Diese Werkstatt arbeitet - erstaunlich genug - bis heute. 1984, vor genau zwanzig Jahren,reiste Peter Schütt nach Stralsund, um eine Reportage über die Volkswerft zu schreiben: "Schaut auf diese Werft! Zu Besuch auf einer Werft, die Aufträge bis zum Jahre 2000 hat!" Schütts begeisterter Bericht über einen krisenfesten volkseigenen Musterbetrieb wurde als Broschüre gedruckt und von der DKP in der stolzen Auflage von 5000 Exemplaren verbreitet.
Im November 1988, genau ein Jahr vor dem Ende der DDR, kam Peter Schütt nach Rostock ins Volkstheater, um in einer Matinee aus seinem Arbeitslosenstück "Jesus auf dem Sozialamt" vorzulesen. Das Publikum war begeistert und ahnte nicht, dass all das, was Peter Schütt mit Witz und Ironie auf dem Alltagsleben der Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfänger zu erzählen hatte, schon bald eigene bittere Realität werden könnte.
1990 wurden in Stralsund viele Werftarbeiter arbeitslos. Doch einer aus Harnburg fand Arbeit in Stralsund. Ein aktiver Mitstreiter aus Schütts "Werkstatt schreibender Arbeitsloser" ging noch im Sommer desselben Jahres nach Stralsund, um dort in Zusammenarbeit mit dem DGB das erste Arbeitslosenberatungszentrurn vor Ort zu eröffnen.
Die "Werkstatt schreibender Arbeitsloser" ist bis heute aktiv. Sie trifft sich an jedem zweiten Freitagvormittag im "Waschhaus" am Wesselyring zwischen dem zur Hälfte leerstehenden Bürokomplex der City-Nord und dem Hamburger Stadtpark, mitten in einem sozialen Brennpunkt. Das "Waschhaus" stand bis vor einigen Jahren voll mit Waschmaschinen und wurde dann von der Mieterinitiative und der Werkstatt mit Unterstützung der Wohnungsbaugesellschaft SAGA zu einem respektablen Kulturzentrum umgerüstet. Jeden Sonntagnachmittag lädt Peter Schütt dort zu Autorenlesungen und -gesprächen und hat es auf diese Weise geschafft, Menschen, die bisher nur selten ein Buch in die Hand genommen haben, für Literatur zu interessieren.
Die Werkstatt hat inzwischen mehrere Anthologien vorgelegt, aber auch Einzelveröffentlichungen auf den Weg gebracht. So hat Angelika Flotow nach ihrer Entlassung einen satirisch-ironischen Rückblick auf ihre Erfahrungen als Pharmareferentin veröffentlicht. Er trägt den schönen Titel "Im Koffer ein Lächeln" und ist bei Books on Dernand in Norderstedt erschienen. Der Rostocker Ingo Koch-Verlag hat kürzlich einen Erzählband von Ernest Korobtschinski herausgegeben: "Die zweite Begegnung im Leben". Korobtschinski ist russischer Jude, andere Mitglieder der Werkstatt kommen aus der Türkei, dem Iran und Ägypten. Die Werkstatt ist so multikulturell zusammengesetzt wie das Wohngebiet, in dem das Waschhaus liegt. Unter den 1200 Bewohnern des Wesselyringes gibt es 21 verschiedene Nationalitäten.
Arbeitslosigkeit ist für die offizielle deutschen Literatur kein Thema. Nicht so für Peter Schütt. In seinen Kurzgeschichten - zuletzt erschien im MUT-Verlag seine Sammlung "Allahs Sonne lacht über der Alster" - geht es immer wieder um die Erfahrung sozialer Not und Ausgrenzung. Und zuweilen findet er auch Resonanz. So schrieb der Exkommunist, der schon seit anderthalb Jahrzehnten bekennender Muslim ist, kürzlich unter dem Titel "Arbeitslose, auf nach Mekka!" eine eher phantastische Geschichte über eine Gruppe türkischer Dauerarbeitsloser, die sich auf die große Pilgerfahrt machen. Prompt meldete sich ein Fundamentalismusexperte vom Verfassungsschutz bei Schütt und wollte wissen, ob die Geschichte tatsächlich wahr ist. Die Antwort des Dichters: "Sie ist zu schön, um wahr zu sein!"

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HAMBURGS ANDERES LITERATURHAUS
von Rainer Kellner
Das Hamburger Literaturhaus, das am Schwanenwik an der Außenalster eine beste Adresse hat, feierte vor kurzem sein zehnjähriges Bestehen. Es ist inzwischen zu einem exklusiven Event-Center verkommen, zu dem gewöhnliche Literaturfreunde schon dank der gehobenen Eintrittspreise kaum noch Zugang finden. Doch inzwischen ist dem noblem Literaturhaus eine handfeste proletarische Konkurrenz erwachsen. In einem sozialen Brennpunkt, am Wesselyring nahe dem heruntergekommenen Bürokomplex City Nord, steht das "Waschhaus", ein ehemaliges Wäschereigebäude, das die Wohnungsbaugesellschaft SAGA inzwischen mit geringem Aufwand zu einem bescheidenen Kulturzentrum für die Bewohner umgerüstet hat.Dort veranstaltet der Schriftsteller Peter Schütt, der vor anderthalb Jahren aus der noblen Nachbarschaft von allerhand TV-Vips und Promis in eine Gegend mit halbwegs normalen Menschen umgezogen ist, seit einem Jahr an jedem Sonntag Literaturlesungen. Anfangs war der Reaktion der von Schütt avisierten Zielgruppe äußerst skeptisch. Doch inzwischen ist das Eis gebrochen, auch dank Tee, Kaffee und Kuchen, die jedes Mal gegen eine symbolische Spende angeboten werden. Zu jeder Lesung kommen etwa dreißig Interessierte aus der Umgebung, Türken und Deutsche, Eingeborene und Zugewanderte, Alte und Junge, Literaturkenner und Laien. Peter Schütt lockt nicht mit großen Namen, sondern kommt seinem Publikum mit einem breiter Auswahl unterschiedlichster Autoren entgegen, die im Interesse der guten Sache einstweilen auf Honorare verzichten müssen. Seine Gäste stammen nicht nur aus Hamburg, sondern aus der ganzen Welt, aus der Türkei und dem Iran, aus Ägypten, Pakistan, Afghanistan und von der Insel Jamaika. Zweimal hatte Peter Schütt mit Mehdi Razvi und Fatima Grimm ausgewiesene Koranausleger zu Gast, einmal mit Karam Khella einen christlischen Theologen, dreimal ließ er mit Gerda Zorn, Hans Otte und Wolfgang Beutin Veteranen aus der linken Literaturbewegung der Siebzigerjahre zu Wort kommen. Von drüben, aus Rostock in der ehemaligen DDR, ist Michael Baade angereist und stellte sein interreligiöses Jerusalembuch zur Diskussion. Keiner der Vorlesenden ging ungeschoren aus dem Waschhaus heraus. Nahezu alle mussten sich Kritik anhören und sich den ungeübten Fragen derer stellen, die nur selten ein Buch in die Hand nehmen.
In Sachen Literaturpropaganda ist Peter Schütt ein alter Hase. Christina Weiss nannte ihn, als sie noch Hamburger Kultursenatorin war, ein wenig abschätzig einen "literarischen Sozialarbeiter". Doch seine "interkulturellen Liebesgedichte", für die er in den Achtzigerjahren viel Spott erntete, stehen heute dank der Rahmenrichtlinien für den Deutschunterricht in den 12. Klassen auf den Lehrplänen der Hamburger Gymnasien.
1983 gründete Peter Schütt unter dem Eindruck der Massenentlassungen auf den Großwerften die "Hamburger Werkstatt schreibender Arbeitsloser". Sie existiert bis heute und trifft sich alle vierzehn Tage Freitagvormittag im "Waschhaus" am Wesselyring. Zum Kern gehören acht bis zehn Unentwegte, unter ihnen der Autor dieser Zeilen, der für seine sechs phantastischen Romane bislang leider noch keinen Verlag gefunden hat. Aber andere Werkstatt-Kollegen waren auf dem Weg zum eigenen Buch ein wenig erfolgreicher. Er-nest Korobtschinski,aus Russland zugewanderter Jude, hat im Rostocker Ingo Koch Verlag unter dem Titel "Die zweite Begegnung im Leben" eine Sammlung autobiografisch geprägter Kurzgeschichten veröffentlicht. Angelika Flotow hat bei Books on Demand in Norderstedt einen kurzweiligen Erfahrungsbericht aus ihrer Tätigkeit als Pharmareferentin herausgebracht, der den schönen Titel trägt: "Im Koffer ein Lächeln". Kollege Wilfried Thüme veröffentlichte jüngst in der Edition anthrazit einen Gedichtband unter dem Titel "Peking von oben". Schreiben ist leicht, dafür einen Verlag zu finden, dagegen schwer. Ich suche schon seit zehn Jahren - Peter Schütts Vertröstungen und Ermutigungen zum Trotz. Mir bleibt einstweilen nur das "Waschhaus" am Wesselyring als mein Forum. Wenn ihr schon keinen neuen Verlag für Arbeitslosenliteratur gründen wollt, dann schafft wenigstens, nostalgisch dahergeredet, eins, zwei, viele Waschhäuser!

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Weihnachten am Wesselyring
von Ilyas Özdemir
Jussuf hat von allen Männern am Wesselyring den längsten Bart, einen richtigen Weihnachtsmännerbart, weiß und watteweich. Obwohl Türke und Muslim, wurde er gefragt ob er zur Adventsfeier im Waschhaus den Heiligen Nikolaus spielen könnte. Erst zierte er sich, aber dem Argument, dass der Heilige zu Lebzeiten Bischof von Myra war und damit aus der Türkei stammt, hatte er nichts entgegenzusetzen. Jussuf spielte seine Rolle so überzeugend, dass die Frauen vom Tauschring spontan sein Talent entdeckten und ihn als Weihnachtsmann gleich an drei deutsche Familien in der Umgebung weitervermittelten. Kinder und Eltern waren von seinem Auftritt gleichermaßen begeistert.
Der türkische Weihnachtsmann hatte seine Rechnung ohne seine eigenen drei Kinder gemacht. Die waren nicht damit einverstanden, dass ihr Vater fremde Kinder bescherte und sie selber leer ausgehen sollten. Also blieb dem guten alten Jussuf gar nichts anderes übrig, als bei Aldi für zehn Euro eine Nordmanntanne zu kaufen. Er musste Schmuck und elektrische Kerzen besorgen und brauchte schließlich auch einige Geschenke, um sie den Kindern unter den Baum zu legen. Und auch seine Frau Maryam verlangte zu guter Letzt ihren Anteil an der Weihnachtsbescherung. So feierte Jussufs Familie ihr erstes richtiges Weihnachtsfest. Es wird sicher nicht ihr letztes bleiben.
Unter den türkischstämmigen Bewohnern am Wesselyring bröckelt die Antiweihnachtsfront. Die Initiative geht in fast jeder Familie von den Kindern aus. Sie wollen nicht länger hinter ihren deutschen Mitschülern und Spielgefährten zurückstehen. Schließlich geben die Eltern nach. Denn auch für Muslime ist Jesus ein verehrungswürdiger Prophet und sein Geburtstag allemal ein Fest wert.
Das Waschhausprogramm gibt seinen Segen dazu. Ursula Sieg, evangelische Pastorin aus Bad Segeberg, stellt dem staunenden deutschtürkischen Publikum vom Wesselyring ihr Werkbuch "Feste der Religionen" vor. Darin erzählt sie anschaulich, wie eng die Hohen Feiertage der Juden, Christen und Muslime von ihren Ursprüngen her miteinander verwandt sind. Offensichtlich von ihr inspiriert, hat Waschhausmeister Peter Schütt ein "Weihnachtsspiel nach dem Koran" verfasst. Das möchte er im nächsten Jahr zusammen mit den Kindern vom Wesselyring im Waschhaus zur Aufführung bringen. Die Kinder von Maryam und Jussuf werden hoffentlich auch dabeisein.
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Arnim Juhre in einem Brief an Peter Schütt:

Aufregend finde ich, was ihr da alles im "Waschhaus" betreibt, mehr noch, was sich daraus entwickeln ließe. Das Waschhaus könnte der Ausgangspunkt weitreichender, über sich selbst hinaus greifender, nicht nur literarischer Handlungen werden. Ich sehe die Möglichkeiten auch mit den Augen eines Dramatikers, der den Ort schon kennt, aber sich die Konflikte und Charaktere für ein Drama noch zusammen suchen muss. Andere Stichworte; Deutsch für Ausländer, Rechtsberatung, Tauschbörse, Übersetzungsbüro, Servicestelle für Sozialschwache. Außerdem: freie Räume für Musikschüler, Lernort für eine Laienoper. Und wie wäre es mit einer "Fibel aus dem Waschhaus" - als Anreiz zum Deutschlernen und zum Lesenlernen! Oder gleich eine Art Lesebuch!
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SONNTAGNACHMITTAGE IM WASCHHAUS
von Renate Seifert
Noch nicht ganz heimisch in der Elbmetropole, wurde ich von einer Freundin zu einer Autorenlesung ins Waschhaus am Wesselyring mitgenommen. Ich war sehr überrascht, an einem so verborgenen und unscheinbaren Ort eine höchst lebendige Veranstaltung mitzuerleben.
Der schlichte Rahmen ohne falsche Ansprüche gefällt mir. Das Waschhaus liegt in einem gelungenen Siedlungsprojekt nahe am Stadtpark. Dort leben Menschen verschiedener Herkunft, wie es scheint gutnachbarlich, zusammen. Entsprechend bunt zusammengesetzt ist der Kreis der Besucher. Ich habe die Begegnung mit anderen Kulturen als große Bereicherung erfahren.
Ich habe Gedichte und Lieder gehört, aber am interessantesten waren für mich die Berichte von Zeitzeugen aus ganz verschiedenen Generationen. Die Beiträge lösen immer wieder anregende Diskussionen aus, und Peter Schütt als Moderator gelingt es immer wieder, alle Anwesenden in das Gespräch einzubeziehen. Er scheint sie alle persönlich zu kennen und zu mögen.
Meine Sonntagnachmittage haben jetzt eine andere Gestalt. Ich bekomme neue Denkanstöße, ermöglicht durch die Unmittelbarkeit menschlicher Begegnung.



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